Kosmetik: Nanopartikel müssen deklariert werden

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Verbraucher kaufen heute sehr viel umwelt- und gesundheitsbewusster ein als noch vor einigen Jahren. Die Schlagworte: Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung. Der Handel hat reagiert und seine Lebensmittelsortimente angepasst. Auf immer mehr Produktverpackungen prangen z. B. Bio-, FSC und MSC-Siegel für ökologisch erzeugte Produkte sowie bestandserhaltende Forst- bzw. Fischwirtschaft. Diese Siegel gelten als vertrauensbildende – und vor allem – verkaufsfördernde Marketingstrategie.

Nicht immer lässt sich eindeutig belegen, ob ein Produkt den ethischen und gesundheitsbezogenen Ansprüchen der Verbraucher standhält. Vor allem der Einsatz neuer Substanzen und Technologien ruft Verbraucherschützer auf den Plan. Über neue Verordnungen versucht der Gesetzgeber, mehr Sicherheit zu gewährleisten, das Verantwortungsbewusstsein der Hersteller zu stärken und den Markt zu überwachen. Dies geschieht etwa mit eindeutigen Deklarationspflichten. Auch beim Kauf von Kosmetik und Körperpflegeprodukten reagieren Verbraucher zunehmen sensibel; immer mehr Verbraucher verlangen nach risikoloser Hautpflege. Und greifen deshalb vermehrt zu Naturkosmetik-Produkten, die aus ihrer Sicht mehr Sicherheit versprechen. Zwar sind die Hersteller von Kosmetik- und Körperpflegeartikeln durch das seit 1976 vielfach geänderte Kosmetikrecht längst zur Deklaration der Inhaltsstoffe verpflichtet – doch bislang wissen noch die wenigsten Verbraucher, was sie sich wirklich auf die Haut auftragen.
Nun will das EU-Parlament in Brüssel auch in diesem Bereich für mehr Sicherheit und Verbraucheraufklärung sorgen. Ende März wurde die neue Kosmetik-Verordnung verabschiedet, die 2012 EU-weit in Kraft treten wird.

Besonders hervorzuheben ist die bis zuletzt umstrittene Verwendung von Nanomaterialien und die entsprechende Kennzeichnung von Produkten. Die Nanotechnologie gilt als eine ganz neue Technologie, die aber noch Fragen hinsichtlich der gesundheitlichen Unbedenklichkeit aufwirft. Nanopartikel (Kleinstpartikel) kommen bereits in der Umwelt vor – etwa in Form ultrafeiner Stäube (z. B. Feinstaub, Dieselabgase, Holzstaub in Schreinereien). Sie stehen in Verdacht, unter anderem Allergien, Herz-/Kreislaufkrankheiten und Krebs auszulösen.
Aufgrund ihrer enormen Variabilität in Natur, Oberflächenbeschaffenheit und Größe sowie wegen der verschiedenen Aufnahme- und Wirkungsmechanismen werden Nanopartikel aber auch gezielt in der Produktion eingesetzt. So können sie bei der Lebensmittelherstellung im Schokoriegelüberzug oder als Verdickungsmittel im Ketchup vorkommen. Auch in der Kosmetikindustrie findet die Nanotechnologie Verwendung. Laut Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel (IKW) werden in kosmetischen Mitteln schon seit vielen Jahren vor allem zwei Stoffe verwendet, die diese Definition erfüllen: die Mikropigmente Titandioxid und Zinkoxid. Sie dienen beide als UV-Filter. Aufgrund ihrer Struktur gelingt es in der Hautpflege zudem, mit ihrer Hilfe kosmetische Wirkstoffe in die Haut zu schleusen und damit die Produktwirksamkeit zu steigern. Laut Kosmetikbranche unterscheiden sich die Nanomaterialien, die bei kosmetischen Produkten eingesetzt werden, allerdings von denen, die in anderen Industriezweigen verwendet werden – und zwar in Form, molekularer Struktur, Art der Verwendung, und darin, wie sie mit der Umwelt interagieren. Das in Sonnenschutzprodukten verwendete mikrofeine Titandioxid ist in seiner Struktur so groß, dass es die Hautbarriere nicht passieren kann. „Zu diesen Pigmenten liegen umfangreiche, aktuelle Daten vor, die deren sichere Anwendung in kosmetischen Mitteln belegen“, unterstreicht der IKW. Nanoemulsionen, dazu verwendet, spezielle Wirkstoffe wie Vitamine einzuschließen, lösen sich dagegen beim Auftragen auf und setzen den transportierten Wirkstoff frei. Die Nanopartikel sollen auch hier nicht in die Haut eindringen können.
Dennoch: Mit der Nanotechnologie verhält es sich wie mit der Gentechnik. Über die gesundheitlichen Auswirkungen gezielt synthetisierter Nanopartikel ist noch zu wenig bekannt, räumen auch einige Hersteller der Kosmetikbranche ein und verzichten auf den Einsatz der Technologie. Verbraucherschützer warnen ausdrücklich vor möglichen Erbgut- und Zellschäden. Umstritten ist – neben Hauptpflegeprodukten – vor allem der Einsatz in mikrofeinen Sprays (z. B. Deos, Haarsprays), da die Partikel mit dem Einatmen in die Lunge gelangen können.
Nanomaterialien sollen ab 2012 laut EU-Verordnung daher nur noch dann in Kosmetika gestattet sein, wenn die Verwendung dieser Partikel sicher ist. Zudem setzten die EU-Abgeordneten durch, dass die Verwendung von Nanomaterialien auf der Verpackung in der Liste der Inhaltsstoffe aufgeführt werden muss. Dabei wird der Begriff „Nano“ - dem Namen des Inhaltsstoffes vorangestellt. „Möchte ein Hersteller ein neues kosmetisches Produkt mit Nanopartikeln auf den Markt bringen, so muss er dies der Europäischen Kommission anzeigen und gleichzeitig eine Reihe von Sicherheitsnachweisen bereitstellen“, erklärt Eu-Abgeordnete Dagmar Roth-Berendt. Bislang ist der Anteil kosmetischer Mittel mit Nano-Partikeln aber noch gering: Er liegt laut EU-Kommission bei etwa 5 Prozent.

Nanotechnologie

Das Wort „Nano“ leitet sich ab vom griechischen Wort „Nanos“ (= der Zwerg). Als Nanomaterialen (Nanoteilchen, Nanopartikel) werden Teilchen mit einem Durchmesser von weniger als etwa 100 Nanometer (ein Nanometer/nm ist ein Milliardstel Meter) bezeichnet.  Sie können aus nur einem Element (z. B. Metall, Kohlenstoff) oder aus Verbindungen (Oxide, Nitride etc.) bestehen.

Nachweise gefordert

Sicherheitsüberprüfungen für kosmetische Produkte stehen für Eu-Parlamentarierin Dagmar Roth-Berendt an erster Stelle. Cremes, Deos oder Rasierwasser würden direkt auf die Haut aufgetragen und „dürfen keine Risiken darstellen“. Dies gelte insbesondere für ganz neue Substanzen, etwa jene, die Nanopartikel enthalten. Die Eigenschaften und Wirkungsweisen der Nanopartikel seien bislang noch nicht vollständig erforscht. Deshalb sei es notwendig, diesen Partikeln „besondere Aufmerksamkeit zu schenken und ihre Wirkungsweise genauestens zu untersuchen. Nur wenn die Verwendung dieser Partikel sicher ist, dürfen sie zukünftig verwendet werden.“ Sollte die Europäische Kommission Zweifel an der Sicherheit des Produktes haben, tritt der dafür zuständige wissenschaftliche Ausschuss in Aktion.

Brigitte Oltmanns
Quelle: Verlag LEBENSMITTEL PRAXIS 8/2009